Aus Unternehmenssicht ist es heutzutage äußerst wichtig, dass sich die Mitarbeiter ständig weiterentwickeln und folglich effizienter und engagierter arbeiten. Das zu erreichen, ist jedoch nicht einfach. Es verlangt von den Führungskräften, eine wirksame Lern- und Entwicklungsstrategie (L&D-Strategie) zu entwerfen und umzusetzen. Mit einem breiten Angebot an Qualifizierungsmöglichkeiten, der Förderung einer Kultur der kontinuierlichen Entwicklung und der gleichzeitigen Schaffung von lernfördernden Bedingungen ist es möglich, die Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter wirksam zu unterstützen und Talente im Unternehmen zu halten. Was also ist soziales Lernen? Wie kann man Social Learning am Arbeitsplatz anwenden?
Dieser Artikel gibt Antworten auf die folgenden Fragen:
- Was ist soziales Lernen bzw. Social Learning?
- Wie sieht Social Learning sowohl Arbeitsplatz als auch online in der Praxis aus?
- Was sind die Vorteile sozialen Lernens?
Was ist soziales Lernen?
Obwohl heutzutage viel über “Social Learning” gesprochen und geschrieben wird, ist die Theorie gar nicht so neu. Ihre Ursprünge reichen bis in die 1970er Jahre zurück, als sie von dem kanadischen Psychologen Albert Bandura formuliert wurden. Die Theorie geht davon aus, dass der kognitive Prozess des Lernens in einem sozialen Kontext stattfindet. Das bedeutet, dass wir vor allem dadurch lernen, dass wir andere beobachten, die Effekte ihrer Handlungen analysieren und dann das Verhalten imitieren, von dem wir glauben, dass es uns hilft, bestimmte Ziele zu erreichen.
Wie funktioniert soziales Lernen?
Es scheint in der heutigen Welt, im Zeitalter der Hybridarbeit und der durch die Pandemie eingeschränkten direkten Kontakte, dass soziales Lernen kaum noch möglich ist. Das stimmt aber nicht ganz. Dank der modernen Technologie und des freien Zugangs zum Internet kann man leicht Menschen finden, die an denselben Themen interessiert sind und Erfahrungen austauschen wollen. Die Art und Weise, wie Kommunikation und Wissensaustausch stattfinden – ob im Präsenzunterricht oder per Internet-Messenger (E-Learning) – spielt dabei nicht die geringste Rolle.
Dieser Aspekt ist für die Konzeption und Umsetzung einer wirksamen Strategie zur Kompetenzentwicklung von entscheidender Bedeutung. Obwohl die Forschung nach wie vor die Notwendigkeit formeller Ausbildung betont, können 90 % der Zeit, die für das Lernen aufgewendet wird, für die eigene Kompetenzerweiterung genutzt werden, indem man von den Erfahrungen anderer profitiert und in einem selbstgewählten Tempo lernt. [1]
Die Bedeutung des sozialen Lernens wird auch durch das 70/20/10-Modell unterstrichen, das Michael M. Lombardo und Robert W. Eichinger in ihrem Buch “The Career Architect Development Planner” formuliert haben. Ziel der Autoren war es, herauszufinden, wie die Wirksamkeit der beruflichen Entwicklung maximiert werden kann. Ihre Untersuchungen resultierten in der Definition von drei Hauptwissensquellen. Welche Bedeutung sie für die Kompetenzentwicklung, haben, gaben die Autoren in Prozent an. Daraus resultiert:
- 70 % des Wissens erwirbt der Mitarbeiter durch Übung und Ausführung der täglichen Aufgaben sowie durch zusätzliche Aufgaben, die ihm sein Vorgesetzter zuweist;
- 20 % des Wissens stammen aus dem sozialen Lernen, d. h. aus der Beobachtung dessen, was die Kollegen tun, aus dem Wissensaustausch oder dem Feedback, das sie in verschiedenen Situationen erhalten;
- 10 % des Wissens stammen aus formellen Kursen und Schulungen.
Das 70/20/10-Modell zeigt deutlich, dass soziales Lernen in die L&D-Strategie einer jeden Organisation einbezogen werden sollte. Es wäre auch sinnvoll, in die formelle Ausbildung kooperative Elemente und mehr zwischenmenschliche Interaktionen einzubauen und gute Bedingungen für Diskussionen oder den Austausch persönlicher Erfahrungen zu schaffen. Bei Präsenzschulungen sorgt ein erfahrener Dozent dafür, dass das klappt. Bei gemischten und Fernschulungsmodellen erweist sich ein modernes Learning Management System (LMS) als große Hilfe.
Die Vorteile sozialen Lernens
Social Learning bringt sowohl den Mitarbeitern als auch den Unternehmen eine Reihe von Vorteilen. Das 70/20/10-Modell legt nahe, dass es sogar doppelt so wirksam ist wie formale Schulungen und Kurse. Es lohnt sich also, den Schwerpunkt auf soziales Lernen zu legen, um die Kompetenzerweiterung effektiver zu gestalten. Der Mitarbeiter wird zufrieden und motiviert sein, weiterzulernen, wenn er seine Lernziele erreicht, und das Unternehmen wird aus einer solchen Investition einen realen Nutzen ziehen.
Heutzutage gilt Social Learning immer noch als gute Methode, aber es spricht vieles dafür, dass es bald etwas ganz Natürliches sein wird. Denn mit jedem Jahr wächst der Anteil der Generation der Millennials an der erwerbstätigen Bevölkerung, und für sie sind soziale Medien und verschiedene Formen des sozialen Lernens ein selbstverständlicher Teil ihres Alltags.
Dynamisch auf die sich verändernden Bedürfnisse der Arbeitnehmer zu reagieren, ist zweifellos eine große Herausforderung, aber auch eine Notwendigkeit. Heutzutage ist das eine der wirksamsten Methoden, um Talente in der Firma zu halten: Nicht weniger als 94 % der Arbeitnehmer geben an, dass sie länger im Unternehmen bleiben würden, wenn ihre Bedürfnisse nach Weiterbildung und -entwicklung erfüllt würden.[2]
Wie lässt sich Social Learning am Arbeitsplatz umsetzen?
Um den Mitarbeitern die Möglichkeit zum sozialen Lernen zu geben, gibt es geeignete Techniken und Lösungsansätze. Die Einrichtung einer zentralen E-Learning-Plattform sollte der erste Schritt sein. Es ist jedoch wichtig, kein klassisches LMS, das lediglich mit grundlegenden Funktionen daherkommt, zu verwenden, sondern ein Learning Management System, das im Wesentlichen auf Kommunikation und Zusammenarbeit basiert. Eine moderne soziale Lernplattform bietet Raum für den Austausch von Wissen und die Diskussion von wichtigen geschäftlichen Angelegenheiten.
Ein ansprechendes Learning Management System bietet auch Funktionen, wie man sie aus den sozialen Medien kennt, etwa die Möglichkeit, die neuesten Informationen und Updates zu verfolgen, zu kommentieren und zu bewerten. Um die Mitarbeiter wirksam dazu zu motivieren, ihre Qualifikationen zu erweitern, lohnt es sich auch, zu Elementen aus der Welt der Spiele zu greife, z. B. die Möglichkeit, Punkte für die Durchführung bestimmter Aktionen zu sammeln und so in der Rangliste der aktivsten und engagiertesten Nutzer aufzusteigen. Viele Vorteile bringt auch der Einsatz von Elementen der virtuellen oder erweiterten Realität (VR bzw. AR), die es den Teilnehmern ermöglichen, eine Umgebung so zu erleben, wie man es bisher nur aus Computerspielen kennt.
Einerseits sind solche umfangreichen Interaktionsmöglichkeiten ein Lernmotivator für die Mitarbeiter. Andererseits bieten sie dem Unternehmen die Möglichkeit, den Lernprozess zu verbessern, herauszufinden, welche Inhalte für die einzelnen Mitarbeiter am interessantesten sind, und ihnen etwas individuellere Entwicklungspfade anzubieten.
Die Schaffung einer geeigneten Systeminfrastruktur und ein breites Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeiter sind ebenso wichtig wie eine Kultur der Weiterbildung und des Wissensaustauschs im Unternehmen zu fördern. Ihre Mitarbeiter sollten Kontakt zu Experten und Mentoren aus dem Unternehmen haben, um mit ihnen wichtige Fragen zu erörtern, individuelle Entwicklungswege zu besprechen und Rückmeldung über erzielte Fortschritte zu erhalten. Eine solche Ausrichtung kann die L&D-Strategie des Unternehmens deutlich verbessern, an die aktuellen Erwartungen des anspruchsvollen Arbeitsmarktes anpassen und die Mitarbeiterfluktuation positiv beeinflussen.